Academy Trainer Dr. Bernd Bitzer im Interview
Ann-Kathrin: Hallo Bernd, danke, dass Du Dir die Zeit nimmst, mit mir über Dich und Deine Arbeit zu sprechen!
Bernd: Na klar, sehr gerne.
Ann-Kathrin: Schön. Erzähl doch zum Einstieg, wie du Mitglied der Synaworks Academy wurdest.
Bernd: Im Rahmen der Buchreihe „Arbeitshefte der Führungspsychologie“ arbeite ich schon viele Jahre mit Nicolas Crisand zusammen, dem Herausgeber der Reihe. So kam es nach der Gründung der Synaworks Academy, dass Nicolas mich fragte, ob ich Interesse hätte, als Trainer mitzuwirken. Nach so langer und mittlerweile auch sehr vertrauter Zusammenarbeit mit Nicolas war für mich gleich klar, dass ich mit im Boot bin.
Ann-Kathrin: Führungspsychologie ist ja ein sehr umfassender Bereich. Auf welches Teilgebiet setzt Du in Deiner Arbeit den Fokus?
Bernd: Als ich damals angefangen habe, war der Fokus gleich auf das Thema „Gesundheit“ gerichtet. Die Veranstaltungen dazu wurden noch Fehlzeitenseminare genannt. Mittlerweile spricht man von „Gesunder Führung“. Ich selber gebe immer noch viele Seminare zum Rückkehrgespräch, mache aber auch sehr viele Teamentwicklungen, Coachings, Mediationen etc.
Die Themen Kommunikation, Führung und Gesundheit hängen alle zusammen.
Die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren, hat direkten Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit.
In meinen Seminaren vermittle ich im ersten Schritt Wissen und stelle wissenschaftlich belegte Modelle rund um das Thema Kommunikation vor. Ich gebe die Möglichkeit für einen Austausch über die gewonnen Erkenntnisse und individuell gemachte Erfahrungen und versuche, die Teilnehmer in die Reflektion zu führen. Das ermöglicht ein erstes Vertiefen des neu Gelernten.
Ann-Kathrin: Das klingt spannend. Warum ist Teamentwicklung so ein wichtiges Thema in Bezug auf die persönliche Gesundheit?
Bernd: Teamentwicklung trägt dazu bei, dass sich unsere Gesundheit verbessert – alles was wir machen, um in unserer sozialen Kompetenz zu wachsen und besser miteinander umzugehen, verbessert unsere gesundheitliche Situation, weil wir innerlich sicherer werden. Ein guter zwischenmenschlicher Umgang sorgt immer dafür, dass wir weniger gestresst sind und wir es lange miteinander aushalten können.
Die Organisationen, die ich besucht habe, melden mir oft nachträglich, dass ihre Fehlzeiten zurückgegangen sind. Aber auch andere betriebswirtschaftlichen Kennzahlen verbessern sich. Das zeigt, dass es neben sinkenden Kosten und Unfallzahlen einen Zusammenhang gibt zwischen einem guten Umgang miteinander und einer besseren Qualität und Produktivität.
Ann-Kathrin: Was findest Du an dem Thema spannend? Und wie hat sich das auf Deine berufliche Laufbahn ausgewirkt?
Bernd: Ich habe irgendwann verstanden, dass der Mensch eigentlich nur zwei Basisemotionen hat – Angst und Liebe – und dass bei uns Menschen eigentlich alles über diese Emotionen läuft.
Über Angst kann man Menschen beherrschen, allerdings macht ständige Angst auch irgendwann krank. Es ist nachgewiesen, dass ca. 95% aller Krankheitsursachen stressbedingt sind. Und Stress ist nur ein anderes Wort für Angst – Menschen haben z.B. Angst bzw. Stress, wenn sie befürchten, dass sie etwas zeitlich nicht schaffen können oder dass ihre Qualifikation nicht ausreicht, um eine bestimmte Leistung zu erbringen.
Die andere Emotion ist Liebe. Das klingt im Zusammenhang mit Führung erst einmal etwas befremdlich – aber Liebe hat neben partnerschaftlicher Liebe natürlich noch viele andere Facetten. Indem wir uns respektvoll begegnen und uns grundsätzlich vertrauen, stärken wir uns gegenseitig und sorgen für ein gesundes Miteinander.
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Ann-Kathrin: Wie entwickeln wir Deiner Meinung nach unsere Sozialkompetenzen weiter?
Bernd: Ich bin davon überzeugt, dass Entwicklung nicht durch Handlungsvorgaben gelingt, sondern bei uns selbst beginnt. Ich kann wirklich nur einen einzigen Menschen direkt entwickeln. Mich selbst.
Das menschliche Bewusstsein entwickelt sich oft über schwierige Situationen und über Menschen, die für Spannungen sorgen. Menschen, die uns herausfordern und uns dazu zwingen, an unsere persönlichen Grenzen zu gehen, sind für uns anstrengend. Jedoch sind sie auch der Grund, warum wir andere Wege ausprobieren, wodurch sie eine Weiterentwicklung bei uns initiieren. Diese Menschen kann man liebevoll als „Arschengel“ bezeichnen.
Denn hätten wir nur mit Menschen zu tun, mit denen immer alles super läuft, müssten wir uns nicht entwickeln. Wir könnten einfach so weiter machen, wie bisher. Je mehr wir mit unterschiedlichen Menschen und Interessengruppen zu tun haben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, auf einen „Arschengel“ zu treffen, der unsere persönliche Entwicklung vorantreibt.
Ann-Kathrin: Gibt es in Unternehmen Rollen, deren Sozialkompetenzen besonders gefordert sind?
Bernd: Aus meiner Sicht haben vor allem Basisführungskräfte eine schwierige Position. Ihre Vorgesetzten erwarten z.B. von ihnen, dass sie Umsatzziele oder Produktionszahlen in ihren Bereichen erreichen. Sie müssen dafür sorgen, dass die Mitarbeiter in ihrem Bereich die notwenigen Leistungen erbringen. Üben sie dabei zu hohen Druck aus, kann dieser dazu führen, dass die Produktivität und Qualität sinkt und die Fehlzeiten der Mitarbeiter in die Höhe gehen – die Konsequenz ist dann oft, dass die Basisführungskräfte von oben noch mehr Druck bekommen.
Zusätzlich erschwerend ist für die Führungskräfte an der Basis, dass sie meist größere Teams zu führen haben. Viele Mitarbeiter ergeben folglich eine große Bandbreite unterschiedlicher Menschentypen – das ist sehr herausfordernd für Führungskräfte. Je weiter es in der Hierarchie nach oben geht, desto kleiner werden die Teams in der Regel und desto qualifizierter sind die Mitarbeiter.
Ann-Kathrin: Wie kann der Spagat gelingen?
Bernd: Führungskräfte brauchen eine gute soziale Kompetenz, um auf die jeweiligen Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen; und auf der anderen Seite sind sie Vertreter des Unternehmens und dürfen die Unternehmensziele nicht aus dem Auge verlieren. Ein erfolgreicher Ansatz, um beiden Interessen gerecht zu werden, ist zu lernen, seine Mitarbeiter dort abzuholen, wo sie stehen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um sie zu einer höheren Selbstverantwortung zu führen. Dazu muss Vertrauen aufgebaut werden. Eine freiwillige Übernahme von Verantwortung wird nur stattfinden, wenn ich als Mitarbeiter darauf vertrauen kann, dass ich nicht öffentlich geteert und gefedert werde, wenn mir mal ein Fehler unterläuft, ich mich stattdessen darauf verlassen kann, dass meine Führungskraft auch in so einem Fall zu mir steht.
Ann-Kathrin: Du bist zertifizierter Trainer zum persolog-Persönlichkeitsmodell. Was kann man sich unter dem Modell vorstellen?
Bernd: Persolog ist ein Persönlichkeitsmodell, das davon ausgeht, dass wir von unserer Persönlichkeit in vier Grundtypen eingeteilt werden können. Lass es mich so erklären: Gehen wir mal davon aus, wir haben vier Zutatentöpfe zur Verfügung und jeder von uns ist aus diesen vier Zutatentöpfen zusammengemischt. Das Mischverhältnis ist dabei jedoch individuell. Wir bestehen als Einzelperson auch nie zu 100% aus nur einer Zutat. Um Vollkommenheit zu erreichen, müssen wir uns daher zu einem Team zusammentun und dabei je nach Teamaufgabe auf ein gutes Mischungsverhältnis achten.
Nach dem Persolog – oder auch DISG Modell – gibt es die folgenden vier Grundtypen:
Quelle: Gay, F.: Das persolog Persönlichkeits-Profil, Remchingen 2009, 38. Auflage, S.46
Auch wenn wir Mischtypen sind, ist eine Zutat oft dominanter als die anderen. Und es hilft, wenn alle mit den vier Grundtypen vorhandenen Kompetenzen bzw. Qualitäten vorhanden sind. Das verdeutlich erneut, dass wir im Team immer stärker sind als eine Anzahl unabhängig voneinander agierender Personen.
Ann-Kathrin: Wie lassen sich die Erkenntnisse in der Praxis anwenden?
Bernd: Das Modell bietet primär eine gute Reflexionsmöglichkeit – dadurch hilft es uns Menschen, dass wir uns selbst und andere bessere verstehen. Das Erkennen der Muster – also der dominierenden Grundzutat einer Person – hilft uns, das Verhalten, die Motivation und Bedürfnisse des anderen besser zu verstehen und wertzuschätzen. Mit diesem Wissen kann dann beispielsweise die Formulierung der Argumente oder die Art und Weise der Kommunikation angepasst werden. Es bedeutet nichts anderes, als das unsere Sozialkompetenz zunimmt.
Auch bei der Zusammenstellung eines Teams kann es sehr wertvoll sein, die Personen ihren Interessen und Bedürfnisse nach grob einzuschätzen und so auf eine ausgewogene Gruppe zu achten, in der alle „Typen“ vertreten sind.
Ann-Kathrin: Was wird Deiner Meinung nach von vielen Unternehmen noch zu sehr unterschätzt?
Bernd: Leider denken Firmen oftmals kurzfristig. Langfristige Personalentwicklung ist in vielen Unternehmen eher eine Seltenheit und findet häufig nach dem Feuerwehr-Prinzip statt.
Ann-Kathrin: Nach so viel Fachlichkeit habe ich noch eine persönliche Fragen an dich 😉 Was dürfte an einem perfekten, freien Tag für Dich unter keinen Umständen fehlen?
Bernd: Natürlich gehört für mich zu einem perfekten Tag meine Lebensgefährtin. Aber auch mit meinen Kumpels Fußball spielen, einfach dummes Zeug reden und gemeinsam lachen. In einer ungezwungenen und lustigen Gesellschaft fühle ich mich richtig wohl und habe Spaß daran, mal nicht in der Rolle des Trainers zu sein, der schlaue Dinge sagt.
Ann-Kathrin: Lieber Bernd, vielen Dank für deine Zeit!