In Teil 1 haben wir die Bedeutung des Selbstverständnisses für die Veränderungs- und Strategiearbeit vorgestellt. In Teil 2 diskutieren wir mit dem Aspekt WERTE den ersten der drei Bestandteile, die ein Selbstverständnis definieren.

Parameter 1: Kern-Werte 

Wir definieren Kern-Werte als Prinzipien und Überzeugungen, die von der Organisation als erstrebens- und wünschenswert angesehen werden. Werte definieren, für was die Organisation steht. Aus Werten resultieren spezifische Glaubenssätze, Denk- und Handlungsmuster und dienen damit als „guiding principles“.  

Damit haben Werte maßgeblichen Einfluss, was (Zielauswahl) wir tun und wie (Art der Umsetzung) wir etwas tun. In Folge entstehen Ergebnisse (Resultate, Erlebnisse, Erfolge), welche die gewünschten werthaltigen Eigenschaften besitzen oder vereinen sollen. Eine zentrale Funktion von Werten ist es, Orientierung, Fokus und Motivation zu geben. 

Werte sind intrinsisch und beständig. Sie sind unabhängig von äußeren Einflüssen und bedürfen keinem externen Zuspruch. Sie resultieren aus einer tiefen Überzeugung, nicht aufgrund externer (Markt-) Anforderungen. Kernwerte haben keine „Positionierungs-Funktion“ nach außen und es gibt kein universelles Set an „richtigen“ Werten.  

Entscheidend ist der Umgang mit den Werten, also die Frage, wie authentisch, diszipliniert und konsistent diese im Alltag gelebt werden. Ihre Wirkung können sie nur mit Konsistenz entfalten und wirken implizit durch eigene Denk- und Verhaltensmuster. 

Nur wenige Werte können authentisch den Kern einer Organisation verkörpern. Werden tatsächliche Werte identifiziert, sind es häufig wenig zeitlose Prinzipien, die eine hohe richtungsgebende und motivationale Wirkung entfalten. Sind es zu viele, liegt der Verdacht nahe, dass nicht alle Aspekte Kern-Werte darstellen, sondern eher operativen Praktiken, Strategien oder gesellschaftlich bzw. organisational erwünschten Normvorstellungen entsprechen. 

Im Gegensatz zu Strategien verändern sich Kernwerte nicht. Strategien werden angepasst, wenn sie dysfunktional sind, eigene Kern-Werte nicht. Damit ermöglichen Kern-Werte eine hohe Flexibilität. Das erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, da Kern-Werte durch die Vorgabe von „guiding principles“ eine Lenkungsfunktion ausüben, die den Möglichkeitenraum definieren und erst einmal einengen. Aber innerhalb dieser, durch die Werte definierten Leitplanken, ergeben sich hohe Adaptionsmöglichkeiten, die eine hoch-agile Arbeitsweise ermöglichen.

So sagt Wladawsky-Berger, ein langjähriger Weggefährte des ehemaligen IBM CEO’s Lou Gerstner: 

„…he (Lou Gerstner, Anm. des Verfassers) was very clear that he wanted to shift values (…). If the Gerstner Revolution had merely been about strategy and  technology, it wouldn’t have survived. But because it was rooted in values, IBM was able to adapt as technology and the marketplace continued to evolve”. 

Je volatiler, unsicherer, komplexer und widersprüchlicher die Rahmenbedingungen sind (Stichwort VUCA), in denen wir agieren, desto entscheidender ist genau diese von Wladawsky-Berger beschriebene Flexibilität: innerhalb der „guiding principles“ ein hohes Maß an Adaptionsmöglichkeiten zu haben, um agil auf die jeweiligen Rahmenbedingungen reagieren zu können. Unterstellen wir eine Zunahme der VUCA-Elemente, kann diese Art der nachhaltigen Agilität ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für Organisationen werden. 

Im nächsten Blogbeitrag erläutern wir mit dem Purpose den zweiten, zentralen Parameter des organisationalen Selbstverständnisses.